top of page
Overview_1.jpg

Das historische Zentrum von Maastricht mit dem konzipierten Sphinxkwartier im Vordergrund: Bild: woneninhetsphinxkwartier.nl

BERICHT

BERICHT
Künstliche Gesellschaften – Inspirierender Intensivkurs über agentenbasierte Modelle 

Aktualisiert:

08.10.2025, 13:49  |  Lesezeit: 5 Min.

Von Phillipp Krüger

 

Kurz und gut

  • KIWIT-Mitglied Phillipp Krüger in interdisziplinärem ABM-Kurs an der United Nations University Maastricht

  • Er studierte Physik, Mathematik und Bildungswissenschaften in Göttingen und Oldenburg

  • Promotionsvorhaben zur Paradigmenentwicklung in der KI-Forschung

Im Maastrichter Sphinxkwartier, dem umgenutzten Areal der 1830 gegründeten Keramikfabrik Sphinx, begegnen sich Industriegeschichte und Gegenwart. Aus der einst größten Fabrik der Stadt wurde ein Kultur- und Innovationsquartier – inklusive der Sphinxpassage, deren tausende Kacheln die lokale Keramiktradition erzählen. Vor diesem Hintergrund forscht die United Nations University – Maastricht Economic and Social Research Institute on Innovation and Technology (UNU-MERIT) an einem Leitmotiv, das zum Ort passt: Innovation als sozialer Prozess.

UNU-MERIT – ein Institut der United Nations University in enger Verbindung mit der Universität Maastricht – treibt Politik- und Innovationsforschung voran, bietet Bildung an und mobilisiert Wissen für inklusive, nachhaltige Entwicklung. Innovation ist keine Naturgewalt, sondern soziale Praxis. Darauf gründete auch mein Intensivkurs Agent-Based Modelling for Social Sciences: An fünf Tagen haben wir in ausgiebigen Vorträgen, Übungen und Diskussionen sozio-ökonomische Phänomene modelliert.

Agentenbasierte Modelle (ABM) knüpfen an die Kybernetik an: Rückkopplungen, Regelkreise und einfache, lokale Regeln können zu selbstorganisierter Ordnung führen. Die Artificial-Life-Tradition machte dieses Bottom-up-Prinzip greifbar – von zellulären Automaten bis Schwarmverhalten – und zeigte, wie aus vielen Mikroentscheidungen komplexes, nichtlineares Verhalten entsteht. 
In dieser Logik spricht man von „künstlichen Gesellschaften“: bewusst vereinfachten, rechnergestützten Gesellschaftsmodellen, in denen viele Agent:innen interagieren und soziale Prozesse per Simulation untersucht werden. Ein zentrales Fachorgan ist das Journal of Artificial Societies and Social Simulation (JASSS), ein interdisziplinäres Open-Access-Journal, das seit 1998 die Erforschung sozialer Prozesse mittels Computersimulation bündelt.

Wie funktionieren agentenbasierte Modelle? (Erklär-Ausschnitt aus einer Videovorlesung der RWTH Aachen, Human-Computer Interaction Center)​​

Angenommen, man simuliert das Segregationsverhalten eines heterogenen Viertels: Jede Person folgt der Norm „Ich bin offen gegenüber Fremden – solange nicht mehr als die Hälfte meiner direkten Nachbarschaft ganz anders ist als ich.“ Diese kleine, lokale Regel führt unbeabsichtigt dazu, dass nach vielen Umzügen sichtbare Cluster entstehen: Das Viertel wird segregierter, obwohl niemand Segregation wollte. Dieses unerwartete Gesamtmuster nennt man Emergenz. ABM zeigen Schritt für Schritt, wie solche Muster entstehen – und an welchen Stellschrauben (Informationsflüsse, Wohnungsangebote, Nachbarschaftsprogramme) sich die Dynamik verändern lässt.

ABM sind keine Zahlentricks, sondern offengelegte
Gedankenexperimente: Sie generieren Mechanismenwissen („Wenn X, dann Y → Muster Z“), eignen sich für „Was-wäre-wenn“-Analysen und prüfen kausale Plausibilität jenseits von Korrelationen. Zugleich ersetzen sie weder dichte Bedeutungsanalysen noch liefern sie ohne Datenkopplung belastbare Effektgrößen. Ihr Sweet Spot liegt dort, wo Prozesse im Fokus stehen, Mechanismen strittig sind und Interventionen vorausgetestet werden sollen.

Die PhD-Studierenden kamen überwiegend aus den Niederlanden, Belgien und der DACH-Region; ebenso
vielfältig war die fachliche Ausrichtung von Volkswirtschaft über Stadtplanung und Klimamodellierung bis Innovationsforschung und Soziologie. Gerade diese Mischung machte den Austausch wertvoll: Wir haben Annahmen aus unterschiedlichen Blickwinkeln geprüft, Modelle geschärft und neue Fragen mitgenommen. Das war fachlich wie persönlich sehr bereichernd.

Zur Webseite der United Nations University

Zur Webseite von Phillipp Krüger

Review: 08.10.2025

Phillipp Krüger (KIWIT)

Phillipp Krüger von der Universität Oldenburg promoviert in der Forschungsgruppe KIWIT.

Weiterlesen: Alena Klenke berichtet von der ESRA-Tagung in Amsterdam.

Weiterlesen: Klaus Mainzer zu KI und Philosophie.

Der KIWIT-Podcast: KInote – jetzt reinhören!

Die neue Spezial-Serie KI-KONTEXTE

Folgen und Abonnieren Sie uns!
  • Youtube
  • LinkedIn
Teilen Sie diesen Artikel
Research Class Digialisierung_edited.jpg

Research Class

Bildschirmfoto 2025-08-22 um 17.27.14.png
Zu den Seiten des Bundesforschungsministeriums
Zu den Seiten des Bundesforschungsministerium
Zu den Seiten des Bundesforschungsministerium

Datenschutzerklärung

Barrierefreiheitserklärung

Impressum

KIWIT ist ein interdisziplinärer und hochschulübergreifender Forschungsverbund in der Förderung des Bundesministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR)

© 2025 NBS Northern Business School für KIWIT

E-Mail: forschungsgruppe.kiwit[at]uol.de

bottom of page